Eindrucksvolle Solo-Performance der ghanaischen Künstlerin Gifty Wiafe
– hewi
LIPPSTADT – Man hört Vogelgezwitscher, leise afrikanische Gesänge, bevor eine junge weibliche Stimme aus dem Off ertönt: „Sein oder nicht sein.“ Dreimal wiederholt sie das berühmte Hamlet-Zitat von Shakespeare mit monotoner Stimme. Auf der Lippstädter Studiobühne sind Stellwände mit bunten Zeichnungen und Abbildungen zu sehen, Trommeln und eine pinkfarbene Tasche mitten im Raum. Aus der schlängelt sich plötzlich eine dunkle, schlanke Hand. Es folgt eine zierliche Gestalt, die sich aus der Tasche windet, wie ein Embryo aus dem Schoß einer Gebärenden. „Meine Mutter hat mich übertragen“, erzählt sie leise, „also über den Zeitpunkt hinaus getragen, an dem sie mich noch hätte abtreiben können.“
Solch dramatische Sätze, fast nonchalant dahingesagt, was den Eindruck noch verstärkt, hört das Publikum an diesem Abend noch öfter. Sie kommen aus dem Mund von Gifty Wiafe, einer junge Frau aus Ghana, die seit 2009 in Deutschland lebt. Sie ist die Protagonistin der Solo-Theater- und Tanz-Produktion „Das liegt im Blut“, mit der Cactus Junges Theater aus Münster am Samstagabend in Lippstadt Premiere feierte.
Die Aufführung gehört zum Rahmenprogramm anlässlich des 35-jährigen Jubiläums des Ökumenischen Initiativkreises Eine Welt und des Weltladens Lippstadt. Die Themen sind vielschichtig.
Wo Schule Luxus ist
Untermalt von anmutigen, tänzerischen Bewegungen, begleitet von eindrucksvoller Mimik und einer entwaffnenden Natürlichkeit und Authentizität implantiert die junge Darstellerin dem Publikum fast jeden Satz unter die Haut. So sagt sie etwa: „Wenn in China ein Sack Reis umfällt, löst das vielleicht 6000 Kilometer weiter einen Schluckauf aus. Aber wenn im Mittelmeer ein Flüchtling ertrinkt, dann stirbt auch ein Stück von dir und mir.“
Gifty Wiafe, das süße, überaus taffe Mädchen aus Ghana, duzt ihr Publikum. Sie referiert über DNA und DSDS (findet sie „grottenschlecht“) und wundert sich darüber, dass einige afrikanische Frauen ihre Haut mit giftigen Substanzen chemisch behandeln lassen, um heller zu werden, während europäische Frauen sich wie ein Brathähnchen bruzzeln lassen.
Sie berichtet aber auch von den starken Frauen aus ihrer Heimat, davon, dass dort Luxus ist, was hier Pflicht bedeutet, nämlich die Schule, und kritisiert, dass dennoch seit der Kolonialzeit unter dem Einfluss des Geldes hohe Positionen in Handel, Wirtschaft und Verwaltung den Männern vorbehalten bleiben. Sie berichtet anschaulich, warum bei ihr zu Hause die Hühnerknochen mitgegessen werden und was das mit ganzheitlicher Medizin zu tun hat.
Immer wieder haut sie unbequeme Wahrheiten raus, zum Beispiel über den Export von holländischen Tomaten nach Afrika, „roten, ungenießbaren Gummibällen“, und bringt einen gleichzeitig mit flapsigen Sprüchen zum Lachen. Das bleibt durchaus mal im Halse stecken.
Wiafe fordert: „Kinder sollen auch in Ghana zur Schule gehen, in sauberem Dreck spielen und ihre Geschwister nerven.“ Doch dass die Realität anders aussieht, beschreibt sie am Beispiel der bettelarmen Jungen und Mädchen, die auf der Mülldeponie Agbogbloshie ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, indem sie Elektroschrott aus westlichen Länden ausschlachten.
Dem Publikum den Spiegel vorhalten
Gifty Wiafe tanzt, erzählt, singt, trommelt, unterstützt von zwei weiteren Künstlern im Hintergrund, und hält dem Publikum den Spiegel vor. Hinreißend charmant, frech, wohlwollend, augenzwinkernd, aber stets so dicht, dass man zwar amüsiert, aber auch sehr berührt und nachdenklich nach Hause geht.
Am Ende steht das gesamte Team auf der Bühne, darunter Regisseurin Barbara Kemmler, die den Zuschauern die Möglichkeit bietet, Fragen zu stellen.
Gifty Wiafe tanzt, erzählt, singt, trommelt und hält dem Publikum den Spiegel vor.
Foto: Wissing