Als Zuschauer*in erlebte man mit „Be-Longing“ (was mit Zugehörigkeit übersetzt werden kann) ein Projekt, bei dem
sich die Vielzahl an Realitäten verschiedener Kulturen und Menschen näherkamen und deren Geschichten man
satirisch aufbereitet hatte, sie provokant aber hin und wieder auch humorvoll erzählte. Gifty Wiafe und Emmanuel
Edoror verdeutlichten das Nord-Süd-Gefälle auf dem Globus dabei mit einer ausdrucksstarken Mimik und teils faszinierender wie auch schockierender Choreographie.
Wilde Tänze, Gesichter voller Zorn und Schmerz, aber auch humorvolle Dialoge signalisierten, dass einiges im Argen liegt.
So erfuhr man zum Beispiel etwas über „Cape-Coast-Castle“, einer der wohl bekanntesten Sklavenfestungen Westafrikas. Sie war in früheren Zeiten ein Zentrum des transatlantischen Sklavenhandels und die von den beiden Akteuren vorgetragenen Schilderungen über die dortige Entmenschlichung der Schwarzen machte betroffen.
Heute, so sagten Gifty Wiafe und Emmanuel Edoror, sei Cape-Coast „eine Touristenattraktion“ in Ghana, wo Selfies in Kerkern gemacht würden in denen Menschen nach grausamen Qualen starben. Da fragte man sich selbst, was empfinden Touristen eigentlich an solch einem schrecklichen Ort? „Eine zufriedenstellenden Antwort findet man
leider nicht.“
Die Akteure gaben außerdem zu bedenken, dass „nicht jeder in Europa reich ist, nicht jeder in Afrika ist arm“. Und Afrika, der von Industrienationen ausgebeutete Kontinent, brauche ihrer Meinung nach ein neues Selbstbewusstsein. Passend dazu schlüpfte Edoror unter anderem in die Rolle eines jungen Afrikaners, der sein Dorf verließ um Neues zu
entdecken. Bald schon wurde er zu einem geschickten Händler, der zunächst Textilien später dann Uhren verkaufte. Der Junge aus dem Dorf entwickelte sich schnell und erkannte, dass er Uhren auch bauen konnte. Wodurch sein Selbstbewusstsein wuchs und seinen Glauben bestärkte, „dass es möglich ist, in meinem Land etwas zu machen, das
die Welt bereichern kann.“
Gifty Wiafe fragte indes provokativ in Richtung Zuschauer: „Können wir jungen Afrikaner unser Afrika neu erfinden?“ Es müsste doch möglich sein, so ihre Meinung, in echter Partnerschaft mit Industrienationen ein neues Zeitalter einzuläuten. Dies war zugleich dann auch eine der zentralen Botschaften, die sich aus der Handlung des Theaterstücks
„BE-LONGING“ herausfiltern ließ.
Der abschließende Appell der Theateraufführung, eine Veranstaltung die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert wurde, lautete daher: Berührungsängste aufgeben und kreativ werden. Oder um es mit den Worten der beiden Protagonisten zu
formulieren: „Partnerschaft ist etwas, das zwischen Menschen passiert, wenn sie sich ehrlich füreinander interessieren.“
Nach der Vorstellung berichtete Regisseurin Barbara Kemmler, dass dies bereits die dritte gemeinsame ghanaisch-deutsche Theaterarbeit sei, die als Themengebiet die Partnerschaft zwischen Afrika und Europa unter gesellschaftlichen, ökonomischen und persönlichen Aspekten im Fokus hätte. Man wollte das Stück eigentlich schon im vergangenen Jahr zur Premiere bringen, doch aufgrund der bestehenden Coronapandemie ließ sich dies nicht realisieren. Was zur Folge hatte, „dass wir noch ein wenig intensiver in die Inszenierung eingetreten sind“, so Kemmler. Bereits am Morgen wurde das Stück am Städtischen Gymnasium gezeigt und dabei war auch ein Vertreter der Ruhrfestspiele anwesend. Dieser zeigte sich von der Inszenierung so begeistert, dass er dem gesamten Team die Zusage machen konnte, sie im kommenden Jahr (Ende Juni 2022) in Recklinghausen begrüßen zu dürfen. Denn solch eine Theaterkunst, die sich mit Inhalten der Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt und sich zudem auch noch in einem Spannungsverhältnis von Poesie und Politik bewegt, werde mit Sicherheit eine große Zielgruppe erreichen. Das Publikum im filmriss Kino hatte „BE-LONGING“ auf alle Fälle erreicht.