Über Last und Lust der Gewalt
Von Gerhard H. Kock
Münster – Warum fasziniert Gewalt? Es gibt unzählige Baller- und Kriegspiele für den Computer. Wie viele Mitgefühl- und Barmherzigkeitsspiele es wohl gibt? Was bannt des Menschen Blick auf Terror und Qualen? Dieser Frage sollen sich die Zuschauer stellen, die sich „Extremities“ von „Cactus plus“ ansehen.
Mit „Cactus plus“ gibt das Junge Theater Cactus ehemaligen Mitgliedern, die sich inzwischen professionalisiert haben, die Gelegenheit, sich weiter zu profilieren. Judith Suermann, Marlena Keil und Sarah Christine Giese sowie Stefan Nászay spielen in der kammerspielartigen Inszenierung von Alban Renz ein Quartett, das um Wahrheiten, Gefühle und Gewalt kreist.
Der US-Autor William Mastrosimone erzählt in „Extremities“ (1986 verfilmt mit Farah Fawcett) von einer Vergewaltigung. Oder dem Versuch davon? Ein Mann ist gefesselt, allein unter drei Frauen. Zwischen den Bewohnerinnen der WG entbrennt ein Streit auf Messers Schneide: über Verbrechen und Strafe, Selbstjustiz und Moral. Unterscheidet sich die Gewaltbereitschaft vom Täter von der des Opfers? Was ist mit Rachegelüsten? Macht sich das Opfer mit seiner Gewalt mit dem Täter gemein? Gibt es Rechtfertigungen von Gewalt gegen wehrlose Täter?
Alban Renz will darauf keine eindeutige Antworten geben: „Wir haben den ersten Akt komplett gestrichen.“ Das Publikum bekommt also die „Vergewaltigung“ nicht zu sehen. Aber die Auseinandersetzung darüber. Eine Frau will verdrängen, die zweite sucht die Attacke, die dritte ihr Heil im Rationalen. Und der gefesselte Mann spielt sein eigenes Spiel: „Ich steche wie eine Wespe immer wieder zu“, schildert Stefan Nászay seine Rolle. Ist er ein Sadist, ein Zyniker, ein Spieler? Die Zuschauer werden zur Jury. Wem kann man glauben? Diese Frage erinnert an die aktuellen Vergewaltigungs-Prozesse wie gegen Jörg Kachelmann oder Karl Dall.
Renz belässt das Stück in den 80ern. Musik gibt ihren Kommentar dazu wie „Lady in Red“ oder „Girls Just Want To Have Fun“. Das Stück schließt anders als in der Vorlage und der Verfilmung. Renz: „Wie wollen eine mehrdeutiges Ende.“
Die Premiere ist am Mittwoch (18. März) um 20 Uhr im Pumpenhaus, Gartenstraße 123. Aufführungen: 19., 20., 21. und 22. März. Am Freitag wird eine Schulvorstellung angeboten (ab Klasse 10). Die Sonntagvorstellung ist mit Gebärdensprach-Dolmetscher.
Karten (12 / 7 Euro): ✆ 233443.
Drei Frauen und ein Mann (v.l.): Judith Suermann, Marlena Keil und Sarah Christine Giese (vorne Stefan Nászay)
Foto: Erich Saar