WN 20.11.2016: Die Schönheit des gemeinsamen Singens

Kollektives emotionales Erlebnis

Von Michael Schardt

Münster – Was kann es Schöneres geben, als gemeinsam zu singen. Für viele Menschen ist das keine Frage, sondern eine Feststellung. Kaum anders lässt sich der Erfolg der lockeren Veranstaltungsreihe „Nacht der spirituellen Lieder“ erklären, wie sie – von Aachen ausgehend – seit zwölf Jahren bundesweit und sogar im benachbarten Ausland stattfindet.

Gemeinschaftliches Singen stärkt den Zusammenhalt, befreit von den Sorgen des Alltags, ist ein ebenso individuelles wie kollektives emotionales Erlebnis. Besonders nachdrücklich kann sich dieses Gefühl bei einprägsamen Melodien und einfachsten Texten entfalten, die sich immerzu wieder­holen. Es ist wohl auch so etwas wie die Magie der Mantras, die die Besuchern anzieht. In der proppenvollen Erlöserkirche fand jetzt bereits die vierte Nacht der spirituellen Lieder statt.

Ein besonderer Anreiz liegt sicher auch darin, dass keine musikalischen oder stimmlichen Vorkenntnisse erforderlich sind. Kommen und mitsingen kann jeder, der Lust dazu verspürt. Ganz getreu der von Barbara Swetina ausgegebenen Losung: „Wer gehen kann, kann tanzen, wer sprechen kann, kann singen“. Und: „Fehler gibt es nicht“, fügt die aus Österreich angereiste Sing-Anleiterin augenzwinkernd hinzu, „sondern nur Variationen“.

Dabei sind es nicht unmittelbar religiöse Lieder, die auswählt wurden. Der titelgebende Begriff „spirituell“ trifft es besser. Das Publikum singt lautmalerische Heils-, Trost- und Kraftlieder sowie Mantras aus exotischen Kulturen, etwa aus Nepal (Phanjavad), Hawaii (E malama i ka Heiau) oder Indien (Govind Krishna Hari Om).

Nach kurzer Einstimmung durch die Sing-Anleiter Swetina, Barbara Besser sowie Rajesh Mariadassou und mit Unterstützung der Mantraband Thalmaraje setzt der Chor aus rund 400 sangesfrohen Zuhörern, über­wiegend Frauen, ein. Die kontemplative und auch etwas mystisch-esoterische Atmosphäre, die durch die ­heimelige Beleuchtung im Kirchenraum nachhaltig unterstützt wird, soll lange nach Liedschluss noch anhalten, weshalb „Klatschen“ nur mittels Gebärden­sprache erwünscht ist.

Die Liedernacht kostet keinen Eintritt und wird von ehrenamtlichem Engagement getragen. Die Ver­anstalter hofften am Freitagabend auf möglichst viele Spenden und einen Überschuss (zuletzt etwa 2500 Euro). Dieser soll diesmal der interkulturellen Arbeit des Vereins Cactus Junges Theater zugute kommen, der sich mit einem kleinen (ghanaischen) Intermezzo kurz selbst vorstellte.

spirituelle-liederEin Blick in die proppenvolle Erlöserkirche: Die vierte Auflageder „Nacht der spirituellen Lieder“ lockte mal wieder viele Sanges­freudige in das Kirchenhaus.
Foto: Michael Schardt