WN: 30.04.2019 “Schöne neue Welt” – Premiere im Theater Münster

Volker Ludwig (Text) und Achim Gieseler (Musik) bringen den komplexen Plot auf einen sarkastischen Nenner. Die Musik bekräftigt zwar den poppigen Sound des Genres, nutzt ihn aber andererseits clever, um die seichte Fröhlichkeit als Chiffre für banale Glücksversprechen der Gesellschaft zu entlarven. Und diese Gesellschaft des Jahres 2540 macht ernst. Hier wird nichts dem Zufall überlassen,werden Menschen je nach Arbeitsbedarf gezüchtet und gemäß ihrer Fähigkeiten eingesetzt. Ein Kastensystem von Alpha- bis Epsilon-Personen wird mittels der Glücksdroge “Soma” bei Laune gehalten. Der Sex flottiert ungehemmt, Familienstrukturen sind zerstört: “Jeder ist seines Nächsten Eigentum”.

Dass zwei Hauptfiguren Marx (Sönke Westrup) und Lenina (Mia Sprick) heißen, überrascht ebenso wenig wie ein Weltführer namens “Bill McSoft”. Marx ist ein “Alpha”- einer jeder wenigen, die wegen hoher Begabung für keine präzise Rolle vorgesehen sind. Er hinterfragt das System und möchte eine Langzeitbeziehung zur begehrten Lenina, die ähnlich empfindet. Wirkliche Liebesgefühle entfacht allerdings erst der “Wilde” John (intensiv: Til Ormeloh), den Lenina auf einer Expedition in ein Reservat findet. Er ist auf “tierisch” natürlichem Wege gezeugt worden (anders als im Roman ist körperlicher Sex hier durch virtuellen ersetzt). Alle jungen Frauen und Männer singen und spielen toll. Wenn sie sich zur tanzenden Partymeute (pralle Kostüme: Melanie Walter) vereinen, grinst man sich eins. Wenn aber die jungen Mädels mit ekelverzerrten Gesichtern Schwangerschafts-Bäuche präsentieren, bleibt das Grinsen im Halse stecken. Denn vieles im Stück spiegelt unsere Gegenwart, die auch von einem Weltstaat träumt: Ablehnung von Mutterschaft (“Gebärmaschinen), Ablehnung von Hochkultur (“Bach und Shakespeare – wenn interessiert das?”). Ablehnung von jenen, die den Mainstream mit unbequemen Fragen behelligen

Jung, bunt und offensichtlich auch fröhlich ist die “Schöne neue Welt” bei der Premiere des Gleichnamigen Musicals. Foto: Oliver Berg