WN: 30.09.2015 Klischee-Kisten-Grabbeln mit Cactus

Ebola in der Handtasche

Von Isabell Steinböck

MÜNSTER – Bunte Bühnenspots vermitteln Disco-Atmosphäre, als die temperamentvolle Moderatorin erscheint. „Ihr wisst schon, dass Beyoncé hier nicht auftritt“, sagt die quirlige Afrikanerin kokett. „Wir sehen uns ja alle so ähnlich mit unseren weißen Zähnen.“
Dann scheint Gifty Wiafe einzufallen, worum es an diesem Abend eigentlich geht: „Ihr wollt Witze? Aber wir sind doch in Deutschland, und das hier ist kein Keller!“

Von Anfang an ist klar: Hier greift man tief in die Klischee-Kiste, aber weil niemand ausgelassen wird, „passt das schon“. Unter der Regie von Barbara Kemmler, Alban Renz, Mareike Fiege und Marian Heuser bringt „Cactus +“ im ausverkauften Pumpenhaus vor begeistertem Publikum mit „Passt schon!“ Stand-up-Comedy auf die Bühne, die alle möglichen „Randgruppen“ ins Scheinwerferlicht zerrt. Die Texte stammen von Kabarett-erfahrenen Profis: Christoph Tiemann, Harald Funke, Marian Heuser und Petra Kindler.

Momente hintersinnigen Humors gelingen den Jungschauspielern durch Übertreibung, witzige Mimik und pointierte Sprechweise. Dennis Neumann amüsiert als „Diplom-Infragesteller“, indem er „Facebook-Posts“ als pseudopsychologisch entlarvt, um alsbald mit Priester-Attitüde zu fragen: „Wo ist das Mitgefühl?“ Nils Müller lästert zu Schützenfest-Musik deftig über sein Dorf Seppenrade, bevor der „Multidiskriminierte“ mit 1,8 Promille in die Frühmesse geht, schließlich sei die Kirche der größte Arbeitgeber für Homosexuelle. Nicola Schiefel tritt zwar mit puscheligen Hasenohren auf, kann aber einfach nicht niedlich sein, wenn sie als Erzieherin für höheres Gehalt demons-triert. Witzig ihr Spielplatz-Szenario überbehüteter Kinder: „Die Mütter preschen aus den Büschen hervor. Das ist wie bei Baywatch.“

Mareike Fiege schlägt im Gespräch mit dem lockeren Shaun Fitzpatrick ernstere Töne an: Was, wenn das Talent zur Schauspielerei nicht reicht? Grotesk wirken Emmanuel Edoror und Tefik Tahirovic, wenn sie sich als Afrikaner und Roma gegenseitig rassistische Vorurteile um die Ohren hauen. Juliette Nkometa und Carine Evindi Jengoue amüsieren sich dagegen gemeinsam, etwa über die Borniertheit jener Deutscher, die meinen, sie schleppten als Afrikanerinnen Ebola in Handtaschen ein. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
WN309Eine groteske Szene: Tefik Tahirovic und Emmanuel Edoror hauen sich als Roma und Afghane rassistische Vorurteile um die Ohren, wie sie sonst nur aus den Mündern mancher Deutscher kommen. Foto: Ralf Emmerich