WN: 27.09.2013 Durch die Hölle gegangen (Hölle oder Himmel)

400 Mitwirkende bei der Prozession durchs Paulinum

Von Klaus Möllers
Münster – Wer nicht weiß, worauf er sich im Gymnasium Paulinum einlässt, bekommt gleich hinter dem Tor zum Schulhof den ersten Eindruck: Am offenen Fenster klagt „Christus“ hinaus ins Freie verdammte Seelen an – es habe keinen Erfolg gebracht, dass er für die Menschen gestorben sei. Konsequent ist nun, dass die rund 300 Besucher von zwei fauchenden „Teufelinnen“ in die „Hölle“ geführt werden. In die Aula, wo ein über 100 Stimmen starker, schwarz gekleideter Chor (ältere Schüler und Lehrer) samt Trauerorchester im Halbdunkel wehklagt.

Makabre Szenen spielen sich ab: Von den Teufelinnen gepeinigte Frauen ziehen mit hängenden Köpfen durch den Saal, zwei von ihnen vegetieren in Käfigen dahin. Schaurig ist der Gang durchs Paulinum, der wie auf einem Weg der Erkenntnis über Stationen (Schulhöfe, Sporthalle) final doch in hellen, befreiten Sphären endet: im Himmel.

Fast 400 Schüler des Paulinums und der Geistschule sowie etliche Lehrer des Gymnasiums spielten am Donnerstag die Premiere von „Hölle oder Himmel“. Anlass für die Großinszenierung war der 425. Jahrestag der Übernahme der Schule durch die Jesuiten – was szenisch eine Rolle spielte wurden Texte wie der Eingangsdialog doch aus Jesuiten-Dramen entnommen.

Entscheidend waren inhaltlich jedoch Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen. In der „Hölle“ etwa erzählt eine Schülerin im Spot-Licht, wie sie einen Amoklauf in einer U-Bahn erlebt – aus der Sicht des Täters. Im Saal stellen Gleichaltrige ähnliche Szenen nach. „Sie hat sich darüber Gedanken gemacht, wie solch eine Lage wäre“, erklärt Elisabeth Levkau. Die Lehrerin und Barbara Kemmler von „Cactus Junges Theater“ führten Regie und begleiteten das Projekt während der einjährigen Vorbereitung.

„Wir haben die Kinder nach ihrem eigenen Leben und ihren Dingen befragt: ,Was ist in unserem Leben zerstörerisch und was hält uns zusammen?“ Letzteres schaffe Geld wohl nicht – aus der Hölle ziehen Sänger, Musiker und Teufelinnen mit zynischem Gesang aus: „So wie das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel schwingt.“

Manche Schüler brachten Erfahrungen aus Theater AG, Video- oder Technikunterricht mit; eine Band der Schule coverte zwischenzeitlich Billy Talents Metal-Song „Devil in A Midnight Mass“. Alltagserfahrungen spielten in Szenen eine wichtige Rolle: Ein Jugendlicher wird ausgegrenzt (Spielort Schulhof), junge „Engel“ machen ihm Mut“, junge „Teufel“ ziehen arg über ihn her.

Entspannung schließlich im „Himmel“: Die Besucher werden auf Matten in der Halle eingeladen. Der zuvor trauernde Chor trägt Weiß, die Musiker ebenfalls. Und die erlösende Botschaft lautet: „Nächstes Jahr, wenn der Frieden kommt, werden wir uns wieder den einfachen Dingen des Lebens zuwenden. Du wirst sehen, wie gut es sein wird.“

hoelle wn, 28.09.13Verwehrt wird den Mädchen der „Einlass ins Gesetz“. Als eine der literarischen Vorlagen in „Hölle oder Himmel“ wurde für diese Szene auf dem Schulhof Franz Kafkas „Vor dem Gesetz“ verwendet. Schüler hatten auch eigene Passagen eingebaut.
Foto: Ralf Emmerich