Junges Theater Cactus spielt „ Schatten & Ich“
Von Helmut Jasny
Münster – In „Schatten & Ich“, der neuen Produktion von Junges Theater Cactus, stehen zehn Schauspielerinne zwischen 15 und 26 Jahren auf der Bühne des Pumpenhauses. Sie alle sind „ ganz besondere Persönlichkeiten“, wie sie selbst von sich behaupten. Sie treten aber auch gleich den Bewies an. Der erfolgt von außen nach innen, von der Erscheinung zum Wesen, philosophisch gesprochen von der „ Akzidenz“ zur „Substanz“. Diese aristotelischen Begriffe sind durchaus angebracht für Judith Suermanns ebenso originelle wie tiefgründige Inszenierung.
Mein Mund gehört mir
Die Konstruktion des Stücks funktioniert wie eine Einkreisung. Das gilt im inhaltlichen wie im formalen Sinn, wenn die Darstellerinnen auf der dunklen Bühne stehen und mit Taschenlampen ihren Köper ableuchten. Die Nase habe sie von Oma, den Bauch von der Tante, die Beine vom Vater, erzählt ein Mädchen und klebt sich Zettel auf die entsprechenden Körperteile. Nur der Mund sei ihr eigener, sagt sie. Damit lässt sie ihr Ich zum ersten Mal aus der Familie heraustreten.
Später wird die Identitätsbestimmung ausgeweitet. Über Themenbereiche wie Normalität, Freundschaft und Eifersucht, die in Spielszenen und zum Teil in glänzenden Monologen abgehandelt werden. Darin nähern sich die Mädchen immer mehr ihren wahren Ich. Sie spielen Seiten von sich durch, von denen sie wünschen, dass niemand sie je kennen lernen möge. Eine der Protagonistinnen fühlt sich von einer Doppelgängerin verfolgt, eine andere stimmt ein Lied an, das von Eigenlob nur so strotzt. Zur Strafe wie sie auf den Overhead-Projektor, der sie ins Rampenlicht stellt, mit einem dicken Filzstift überkritzelt.
Die Inszenierung kommt ohne Bühnenscheinwerfer aus. Für Licht sorgen allein die Projektoren und die Taschenlampen – eine stimmungsvolle Lösung. Hinzukommt eine gelungene Choreografie, bei der die Darstellerinnen in scheinbar chaotischen, bei näherem Hinsehen aber genau abgezirkelten Bewegungen über die mit Stahlregalen bestückte Bühne wimmeln und so dem Kreisen der Gedanken körperlich Ausdruck verleihen. Eine sehenswerte Aufführung, die etwas gemächlich beginnt, dann aber schnell Fahrt aufnimmt.
Erscheinung und Wesen sind die Themen-Pole im neuen Stück von Cactus Junges Theater
Foto: Ralf Emmerich