WN 05.06.2017: Junges Theater Cactus zeigt originelle „Esperanza“-Inszenierung

Ein Konglomerat an Vorurteilen

Von Helmut Jasny

Münster – Sarah und Alex haben sich ineinander verliebt. Ist doch eigentlich schön. Aber Sarahs Familie sieht das ein wenig anders. Sie hat ihre Tochter nämlich schon an einen aufstrebenden Juristen verplant. Und jetzt lässt die sich mit einem Philosophie-Studenten ein, der nicht nur kein Geld verdient, sondern kulturell auch noch aus einer ganz anderen Ecke kommt.

Klingt ein bisschen nach Romeo und Julia, was das Cactus-Theater mit „Esperanza“ auf die Bühne bringt. „Eine interkulturelle Collage über die Ehre, ihren Wert und ihren Preis“ nennen Barbara Kemmler und Alban Renz ihre Inszenierung, die am Freitag im Kap. 8 Premiere hatte. Man könnte es auch als Konglomerat an sozialen, ethnischen und religiösen Vorurteilen bezeichnen, an denen die Liebe zweier junger Menschen zu scheitern droht. Im Unterschied zu Shakespeare gibt es hier aber keine Toten. Sieht man einmal von dem Zwergkaninchen ab, das Sarah von Alex geschenkt bekommt und das dann der Vendetta zum Opfer fällt.
Das elfköpfige Ensemble agiert auf einer quadratischen Bühne, die wie ein Boxring mitten zwischen den Zuschauern aufgebaut ist. Hier finden die Begegnungen zwischen den Protagonisten statt. Partys werden gefeiert und erste zarte Bande geknüpft. Es gibt beeindruckende choreografierte Tanzeinlagen und einen Chor der Ehrbegriffe. Szenen aus Lessings „Emilia Galotti“ beschäftigen sich mit dem Begriff der Ehre in der Aufklärung, und in Shakespeares „Heinrich V.“ treten Bauern und Handwerker auf, die es gar nicht gut finden, ihr Leben auf dem Feld der Ehre zu lassen.
Überhaupt zeichnet sich die 80-minütige Aufführung durch originelle Regieeinfälle und ein aussagekräftiges Spiel der jungen Darsteller aus. Hinzu kommt eine kluge Verschränkung der Haupthandlung mit den einzelnen Nebensträngen. Für Letztere stehen zusätzliche kleine Bühnen neben und hinter den Zuschauerreihen zur Verfügung. Hier wird die Geschichte von Sarah und Alex mit den ideologischen Entwürfen in Beziehung gesetzt, die sich in verschiedenen Epochen, Kulturen und Religionen um den Begriff der Ehre ranken. Das Ergebnis ist eine Inszenierung, die sich auf ebenso reflektierte wie unterhaltsame Weise mit dem Thema Ehre auseinandersetzt.
Zum Thema
Weitere Aufführungen am 6. und 7. Juni um 20 Uhr im Kap. 8 im Bürgerhaus Kinderhaus024
 Sarah und Alex (links) lieben sich. Doch Sarahs Familie ist dagegen.
Foto: Ralf Emmerich