WN: 11.12.2014 Cactus zeigt beklemmendes Anti-Kriegsstück „Im Westen nichts Neues“

Furchtbar und ohne Sinn

Von Isabell Steinböck
Münster – „Fest steht und treu die Wacht am Rhein.“ Neun junge Männer ziehen singend in den Krieg, marschieren in Zweierreihen, schlagen die Hacken zusammen. Noch überwiegen Enthusiasmus und Vaterlandsliebe, doch schon der erste Tote bringt ihr Weltbild ins Wanken: „Wir waren plötzlich auf furchtbare Weise allein.“

Regisseur Alban Renz bringt mit seinem Cactus-Ensemble ein bedrückendes Stück Zeitgeschichte auf die Bühne des Pumpenhauses. In teils eigener Textfassung, frei nach Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“, inszeniert er das Grauen des Ersten Weltkrieges, indem er persönliche Schicksale ins Rampenlicht rückt.

Da ist zum Beispiel der ängstliche Behm. Bis zuletzt hat er gezögert freiwillig an die Front zu ziehen, als hätte er geahnt, dass er als Erster fallen würde. Oder Tjaden, der von Unteroffizier Himmelstoß schikaniert und erniedrigt wird; dass er in seiner Not zum Bettnässer wird, macht es nur noch schlimmer. Beklemmend auch die Krankenhaus-Szene, in der ein Kamerad stirbt und ein anderer nur darauf lauert, ihm die Stiefel abzuluchsen. Oder Pauls Heimaturlaub: Umlagert von Daheimgebliebenen soll der junge Held aus dem Krieg berichten, doch sein Trauma lässt sich nicht in Worte fassen. Je fremder ihm die Heimat erscheint, desto heimischer wird für ihn die Front mit seinen Kameraden, auch wenn er in dem Gemetzel mit den Franzosen längst keinen Sinn mehr sieht.

Das junge Ensemble spielt bemerkenswert überzeugend und hält die Spannung knapp zwei Stunden lang, wenn es Leid, Angst und Tod in eindrucksvolle Bilder übersetzt und sogar weibliche Rollen übernimmt. Großartig die Szene, in der sie von Himmelstoß „trainiert“ werden, wenn er sie anbrüllt, zur „niedrigsten Lebensform auf dieser Erde“ macht oder durch den Dreck robben lässt.

Cai Mius Bühne eignet sich hervorragend als Schlachtfeld: Der Boden ist mit Erde bedeckt, ein Holz-Podest mit Nischen vermittelt Schützengraben-Atmosphäre, Sersch Hinkelmanns Videoprojektionen (Wolken verhangener Himmel, Klatschmohnfelder, Stacheldraht) vermitteln Authentizität; passend dazu Geräusche und Musik von Fabian Renz. Ein gelungenes Anti-Kriegsstück, nicht nur für Jugendliche.

WN PressefotoIn eindrucksvollen Szenen bringt Regisseur Alban Renz mit dem Theater Cactus den Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque auf die Bühne des Pumpenhauses.
Foto: Erich Saar