„Schatten & Ich“ Cactus zeigt ein Stück übe Identität
Von Isabell Steinböck
Münster. „Mama, Papa, Tante Anette, Onkel Andi, …“
Eine junge Frau steht im Rampenlicht und klebt sich gelbe Zettel auf den Körper: Arme, Oberschenkel, Brust, Po – alles vererbt. Äußerlich lässt sich Identität mitunter leicht nachvollziehen, doch ein Individuum ist so viel mehr.
Unter Regie von Judtih Suermann haben sich zehn junge Frauen zwischen 15 und 26 Jahren auf die Suche nach ihrem Ich gemacht: Was macht unsere Persönlichkeit aus? Wie sehen uns die Anderen? Und stimmt das mit unserem Selbstbild überein? „Schatten & Ich“, das neue Theaterstück von Cactus, das im Pumpenhaus Premiere feierte, setzt sich in einer performativen Collage mit Vorbildern, Zerrbildern und Spiegelbildern auseinander.
Die eine ist von Selbstzweifeln zerfresse, eine andere zeigt ihre verletzliche Seite nur heimlich, die dritte wäre am liebsten ewig Kind – ohne die Last der Verantwortung für das eigene Handeln. Wann verjährt Schuld? Sind wir in der Erinnerung unsterblich? Und warum sind wir überhaupt auf der Welt?
Ausgehend von Äußerlichkeiten, setzt sich das Ensemble mit persönlichen Erfahrungen auseinander und geht weiter, bis hin zu philosophischen Fragen um die menschliche Existenz. Da wird die beste Freundin zur Identitätsstifterin, aber auch zur Manipulatorin; die geliebte Zwillingschwester macht es schwer, ein Selbst zu sein; die eigene, innere Stimme wird zum größten Feind.
Klara Schnells Bühne aus Regalen und Schreibtischen schafft für jede einzelne Figur einen eigenen, kleinen Raum. Auf geniale wie einfache Weise arbeitet das Stück mit Lichteffekten, wenn die authentisch wirkenden Schauspielerinnen auf der dunklen Bühne einzelne Körperglieder mit Taschenlampen beleuchten oder ein Overhead – Projektor ihre Figuren in Umrissen an die Wand wirft. Gesichter werden so zur Fratze oder rücken wie im Kamera – Zoom in den Mittelpunkt, Identitäten treten hinter ihren eigenen Schatten zurück. Dynamische Tanzszenen visualisieren den Kampf um das eigene Ich das so schwer zu fassen ist, weil die Vielfalt das Individuum erst ausmacht.
Ein ehrliches, tiefgründiges Stück, das noch lange nachwirkt.
Ein Schatten seines Selbst: Mit Lichteffekten, Texten und Choreographien nähert sich das Theater Cactus dem schwierigen Thema “Identität”.
Foto: Ralf Emmerich